Hallenmarathon - Mein erster Ultralauf

16:32

Die Voraussetzungen der letzten Tage für den Ultra Hallenmarathon über 50 km waren eher nicht so gut. Das wurde mir jedoch erst während des Rennens bewusst, die Anspannung verdrängte die Müdigkeit.
Von Mittwoch bis Freitag vor dem Lauf hatte ich drei sehr lange und intensive Arbeitstage. Ich verzichtete sogar auf das kurze Training am Freitag, denn ich ging so viele Kilometer, dass die Einheit damit mehr als abgegolten war. Auch der Schlaf kam zu kurz.

Sonnabend, mehrere Zentimeter Neuschnee. Ein Unfall am Nachmittag auf der A13 Richtung Dresden führte zur Vollsperrung, also mehrere Kilometer durch Dörfer umgeleitet. Endlich am und im Hotel angekommen, erfahre ich, dass es Frühstück erst ab 8 Uhr gibt. Das finde ich für ein Hotel ziemlich spät und auf Nachfrage, einen Kaffee und ein Brötchen vor 7 Uhr zu bekommen, erhielt ich ein verzögertes Nein. Ab 7 Uhr eventuell, vielleicht…
Vereister und zugeschneiter Senftenberger See
Gegen 17 Uhr fuhr ich zur Halle, um meine Startnummer und den Chip abzuholen, aber auch um die Stimmung und Atmosphäre zu erleben, die mich am Sonntag erwarten sollte. Schlagartig setzte, als ich die Halle betrat, Nervosität ein, der Bauch kribbelte. Ich traf Lukas und später kam noch Heiko Wache (Laufen Total) dazu, der Lukas seine Frau im Training begleitete. Heiko gab mir den einen und anderen Tipp für Sonntag, wofür ich sehr dankbar war. Wie schrieb er danach? Die Halle hat seine eigenen Gesetze. Er hatte recht!


Nach einem netten Plausch mit Lukas, seine Frau war inzwischen gestartet, verabschiedete ich mich gegen 19 Uhr Richtung Hotel. Ein Zwischenstopp bei Mc Donald’s, um zwei Kekse zu kaufen. Mein Plan B, falls es wirklich kein Frühstück geben sollte.

Die Nacht war unruhig, nicht zuletzt, weil ein kleines Kind über längere Zeit schrie. Um 5:30 Uhr stand ich auf, 30 Minuten früher, als der Wecker gestellt war. Runter zum Check-out, aber keiner zu sehen, die Rezeption dunkel. “Hallo?”... “Haaallo, ist da jemand?” Keine Antwort, kein Kaffee, kein Essen. Gut, dass es in der Sporthalle ein Kiosk gibt. Schlecht, dass dieser erst öffnete, als das Rennen schon lief. Als Frühstück gab es schließlich Cola Zero und besagten Keks vom Goldenen M. Plan B trat also in Kraft, immer gut, wenn man einen hat.

GPS der Uhr funktioniert, zumindest dort, wo ich getestet habe. Nun auf den Wettkampf konzentrieren. Die Halle füllte sich und kurz vor acht versammelten sich die Läuferinnen und Läufer an der Ziellinie. 3, 2, 1, Knall. Marathon und Ultralauf starteten zur gleichen Zeit, was sich gleich in der ersten Kurve bemerkbar machte - Stau!
Kurz vor dem Start

Für den Lauf nahm ich mir vor, mich vom Tempo der schnelleren Läufer nicht mitreißen zu lassen und so wenig wie möglich überholen, denn die steilen Kurven hatten es in sich.

Innenbahn, Innenbahn, Innenbahn. Das funktionierte ganz gut, bis die ersten Überrundungen anfingen. Auf Bahnen eins und zwei hoch, selten auf Bahn drei. Nach vier Runden hatte ich auf der Uhr schon 300 Meter. GPS ade. Außer der Gesamtzeit konnte ich mit der Uhr nichts weiter anfangen. Aber gut schaut sie aus. Die gelaufenen Kilometer rechnete ich anhand der Rundenzahlen aus. Es gab zwischendurch Momente, da dauerte das solange, dass ich schon wieder eine Runde weiter war. So vergeht die Zeit auch.
Hier kann man gut erkennen, wie steil die Bahn in der Kurve ist. 
Pro Tipp: Bobfahrer prägen sich bekanntermaßen die Strecke des Eiskanals ein, damit sie das optimale aus der Strecke rausholen können. Zum ersten Mal tat ich das auch. Es sollte sich als eine sehr gute Idee herausstellen, denn ich musste nicht einmal überlegen, wo es langgeht und brauchte auch keine Karte lesen, daher, Zeitersparnis!

Meine angepeilte Zeit waren 5 Stunden, also 1:30 Minuten pro Runde, 6 Minuten pro Kilometer. Die ersten 80 Runden (20 Km) bin ich gut voran gekommen, es sprach also nichts gegen eine längere Pause. Sie dauerte drei Minuten. Der Führende kam in dieser Zeit dreimal vorbeigeflogen. Zwei Stunden war ich nun unterwegs, genau im Plan. Genau im Plan, wie sich das anhört. Der Plan war anzukommen und dafür hatte ich 6 Stunden Zeit.

Ich sagte zu meiner Frau, wenn es nicht geht, dann verkürze ich auf Marathon. Das fiel mir irgendwann unterwegs ein und ich lächelte. Bisher sagte ich immer, wenn ich einen Marathon lief, falls es nicht mehr geht, verkürze ich auf Halbmarathon (wenn angeboten). Und jetzt wollte ich auf Marathon verkürzen…



Kilometer 20 bis 30 liefen noch ganz gut und zu meiner Freude waren auch Lukas und Claudia wieder da. Das sollte sich später noch als Glücksfall für mich erweisen.

Ab Kilometer 30 folgten die schwersten zehn Kilometer des Rennens. Ich hatte Probleme mit der stickigen Luft und nach Schweiß riechende Vorderleute, bzw. deren Shirts, trugen erheblich dazu bei. Schloss ich meine Augen für einen Wimpernschlag, drehte sich alles im Kopf. Meine Beine ok, keine Krämpfe oder so. Die flache Atmung machte mir zusätzlich zu schaffen, aber tief durchatmen ging auch nicht. Jeder Schritt fühlte sich schrecklich an. Die Luft, die Luft… Kurz die Halle verlassen war auch nicht möglich, es waren nur zwei Grad draußen. Ich hatte eine Krise, eine beschissene Krise. Und da muss ich wieder raus.

Ich lief zur Bande und sprach mit Lukas. Er stellte mir ein paar Fragen über Befinden, Essen und Trinken. Getrunken habe ich genug, aber gegessen schon ewig nichts mehr. Ich habe es vergessen. Ich weiß immer, wann ich trinken und essen muss, aber die Sinne waren vernebelt. Nach Kilometer 32 machte ich eine verhältnismäßig längere Pause, aß süßes, leckte das Salz von den Brezeln und trank. Mit einer Pace von über acht Minuten beendete ich die 30 bis 35 Km und merkte, wie Zucker und Salz langsam wirkten, die Runden lief ich wieder schneller, der Kopf etwas klarer, die Luft weiterhin schlecht. Ich fragte Lukas, wie lange sie noch bleiben. “Bis zum Ende” antwortete er. Ich freute mich darüber unglaublich.

Ab Kilometer 40 waren die Beine schwer, aber die Waden locker. Trotzdem kurz gedehnt und massiert. Nur noch 40 Runden. Das Überholen kostete Kraft, ließ sich aber nicht immer vermeiden. Einige Sportfreunde liefen von Beginn an ihr Tempo und es hatte den Anschein, als ließen sie sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Sie hatten die Erfahrung, die mir für solch eine lange Strecke noch fehlte.
Lukas verglich die Runden und rief rein, dass ich meinen Rhythmus wieder gefunden habe. Weiter, immer weiter. Beide applaudierten immer vom Rand als ich vorbeikam und das schon seit Kilometern. Es fühlte sich an, als wäre er mein persönlicher Trainer.

Marathondistanz geschafft, nur noch acht Kilometer. Diesmal rief ich nach draußen: “Ab jetzt ist alles Ultra…”, und lächtelte.

Ich hing mich an eine Frau ran, die ein ganz ordentliches Tempo lief. Ich konnte mit ihr mithalten und dachte, dass sind bestimmt Rundenzeiten von 1:10 bis 1:20 Minuten. Denkste. 1:30 waren es, also ‘meine Zeit’. Das zeigte mir, wie langsam ich in den vielen Runden zuvor war.
Noch fünf, vier, drei, zwei… eine Runde, die letzte. die schnellste des ganzen Rennens mit einer Minute und zehn Sekunden. Mit dem Zieleinlauf wich die Anspannung und ich beendete den Lauf mit einem Schrei und streckte meine Hände zu einer Faust geballt in den Himmel. 50 Kilometer am Stück, mein erster Ultra Marathon. In zwei Jahren und vier Monaten von Null auf 50 Kilometer.

Viel reden konnte ich noch nicht, aber ich vernahm von Claudia, die bei den Frauen auf Platz zwei lief, dass sie nach ihrem gestrigen Nachtmarathon genauso fertig aussah, wie ich.

Mein Name wurde aufgerufen, ich holte meine Urkunde ab und kurz danach verabschiedeten wir uns. Ich ließ mir noch Zeit, setzte mich, verfolgte den nächsten Wettkampf und rief mein Frau an. Erst jetzt realisierte ich, das Erreichte und wurde emotional.

Was bleibt von diesem Wettkampf hängen? Eine Menge! Ich war mein größter Gegner und hatte eine Krise, wie ich sie bei allen Läufen zuvor nicht erlebte. Zumindest ist das im Nachhinein mein Gefühl. Aber, ich habe sie bewältigt.
Die Luft: Für alle die planen, einen Hallenmarathon oder länger zu laufen, sollten sich darauf einstellen, dass die nicht frische, die abgestandene Luft, zu einer sehr großen Herausforderung werden kann. Kein frischer Gegenwind. Wie schön wäre es gewesen, wenn die Dachfenster mal kurz geöffnet wären wurden.
Rundenlaufen: Immer nur im Kreis zu laufen machte mir nichts aus. Das habe ich trainiert. Die Erhöhungen in den Kurven beim überholen dagegen schon. Die können Kraft kosten. Am besten vorher einordnen und Tempo zu den Vorderleuten anpassen. Das funktionierte leider nicht immer, da man ja auch seinen eigenen Rhythmus hat.
Unterhaltung: Es lief ständig Musik oder Siegerehrungen wurden vollzogen. Es war also immer etwas los und das war sehr hilfreich.
Meine Uhr hätte ich auf Indoor Lauf stellen sollen. Ob das am Ende mit der Anzeige besser geklappt hätte, weiß ich nicht, aber das brachte mich zu Beginn schon durcheinander.

Nächstes Jahr werde ich höchstwahrscheinlich wieder am Start sein, denn dann weiß ich ja, was auf mich zukommt - die Halle hat seine eigenen Gesetze.

Der Empfang zu Hause war wieder königlich ;) Danke dafür. :)

Danke auch an Lukas und Claudia fürs da bleiben. Bisher hatte man sich immer nur online gelesen. Wir lernten uns am Vorabend persönlich kennen und dann blieben beide bis zum Zieleinlauf und unterstützten mich. Wahnsinn.

Im gleichen Lauf wurde der Hallenweltrekord über 50 Kilometer geknackt. Gerrit Wegener lief die 50 Kilometer in 3:12 Stunden, was einen Durchschnitt von 15,6 km/h entsprach - Wahnsinn.

Ich freue mich schon jetzt auf mein Lauftraining am 19. März 2016 mit Heiko Wache am Lehnitzsee in Oranienburg. Ich kann nur dazu lernen und dieses Jahr steht ja noch einiges an.

Sportliche Grüße,

René

























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