Den Brocken in Berlin bezwingen

08:03

‚Den Brocken in Berlin bezwingen‘ – Marathon. Wie hört sich das denn an? Auf jeden Fall verlockend und genau deshalb entschloss ich mich, daran teilzunehmen. Ausschlaggebend war jedoch auch, einmal mit Sigrid Eichner zu laufen, die dieses Rennen organisierte.



Bei der Anmeldung konnte man zwischen verschiedenen Strecken und Schwierigkeitsgraden wählen. Halbmarathon, Marathon mit 600 Höhenmetern oder mit knapp 1600. Ich entschied mich für 'Alles oder Nichts', hinterließ jedoch schon bei der Anmeldung eine Schisser Notiz, dass ich mich vielleicht doch noch für den 'kleineren Bruder' entscheide. Habe ich dann aber doch nicht.

Am Treffpunkt angekommen, war ich erfreut, einige bekannte Gesichter zu sehen, die ich von anderen Veranstaltungen kannte. Mit einigen kam ich dann schnell ins Gespräch oder unterwegs auf der Strecke. Nach einer Erklärung von Sigrid und einem Gruppenfoto liefen 33 Laufverrückte ohne Zeitdruck los und für mich war es der Start in eine neue Herausforderung.

Sigrid erklärt die Strecken
Nach ca. 20 Metern ging es gleich steil hoch. Die Pumpe von null auf hundert, na ja, von 93 auf 156 bmp. Mal schön den Ball flach halten, Sportsfreund. Das soll ich also noch 17 Mal machen? Noch 17 Mal da hoch?
Oben, auf ebener Fläche im Gehen wieder Luft holen und weiter laufen. Wenn ich das Ziel erreichen möchte, heißt es fortan: Kraft einteilen! Pro Runde (2,345 Km) vier Anstiege und davon ein langgezogener über 400 Meter haben es in sich. Für mich als Flachlandläufer ist das der Wahnsinn.

Während ich so meine Runden drehe, schwelge ich immer wieder mal in Erinnerungen. Bei einigen muss ich lachen. In dieser Gegend bin ich aufgewachsen, nur wenige hundert Meter entfernt liegt die elterliche Wohnung. Da die Schule unmittelbar am Berg liegt, fanden wir hier des Öfteren Unterschlupf, wenn es, ich nenne es heute mal Weinverkostungen oder Bierproben, ging. Meistens waren diese mit Zigarettenpausen verknüpft. Entweder hier oder auf dem 'Schulberg'. Dort rauchten wir sogar Klopapier, dieses graue. Ich bin mir sicher, dass sowas heutzutage im Baumarkt als weiches Sandpapier verkauft wird. Egal, Hauptsache es dampfte. Teilweise mussten wir dort im Sportunterricht auch laufen. Aber mit den richtigen Abkürzungen konnte man eine Menge Zeit sparen und diese anderweitig nutzen. Was waren das schöne Zeiten. Schade, dass ich beim letzten Klassentreffen krank war.

18 mal grüßte ich den, nicht einmal kam was zurück. :)
Ich habe immer noch viele Runden vor mir, die siebte hinter mir. Die Höhenmeter schaffen mich. Während der achten überlege ich, auf Halbmarathon zu verkürzen. Die steilen Abschnitte gehe ich, wie fast alle anderen auch, hoch. Anders nicht zu machen. Aber manchmal laufe ich auch zwischen 60 und 80 Schritte hoch. Dann kurz stehen bleiben, fluchen und weiter. Die matschigen Wege kosteten zusätzlich viel Kraft. Ich schrieb meiner Frau, dass ich überlege, zu verkürzen. Die Wörter ‚Abbruch‘ oder ‚Aufgabe‘ benutzte ich nicht, jedoch wäre es für mich das Gleiche gewesen. Auch schrieb ich, dass ich mich hinterher bestimmt ärgern würde, falls ich verkürze. Kennt ihr das, nach Gründen oder Ausreden zu suchen, um etwas nicht zu Ende zu bringen? Sich etwas schön reden, wo es nichts schön zu reden gibt? Als ich ihr gegenüber dann noch erwähnte, dass ich gerne die Medaille hätte, antwortete sie: „OK, dann sehen wir uns später.“ Mit wenigen Worten stellte sie die Weichen für den weiteren Verlauf. Anstatt nach der 9. Runde eine Pause zu machen lief ich einfach weiter, auf zum nächsten Anstieg, keine negativen Gedanken zu lassen.

Mittlerweile hatte ich die Halbmarathon Distanz schon hinter mir gelassen und als ich den 23. Kilometer beendete, sagte ich laut vor mich hin: „Man, nur noch 19, das schaffst du jetzt auch noch.“ Gesagt, getan. Der Kopf war mit einem Mal frei und ich lief Runde für Runde.

Nach vielen Wettkämpfen ohne Gel, gönnte ich mir heute mal wieder eins und ich hatte das erste Mal das Gefühl, dass es etwas brachte. Den 400 Meter Anstieg lief ich dreimal komplett durch, ohne Gehpausen.
Kilometer 30, das Telefon piept. Nachricht meiner Schwester: „Wir sind am Start.“ Ich auch gleich, dachte ich und freute mich wie Bolle. Auch meine Eltern waren dabei. Ich muss wohl zu diesem Zeitpunkt schon etwas abgekämpft ausgesehen haben...

„Wie lange musst du noch?“, fragte Mama.
„Nur noch elf Kilometer.“, antwortete ich. Nur noch... Pfff.

Na ja, ich habe es mir selbst ausgesucht. Eine Runde später waren sie noch da und dann weg. Danke fürs vorbeikommen.

Eindrücke von der Strecke
Ich lief eine Weile mit Arne und es stellte sich heraus, dass auch er die 50 Kilometer im Januar 2016 in Senftenberg läuft. Toll. Die Runde mit ihm lief sich fantastisch. Wir redeten über dies und das (eigentlich nur übers Laufen) und zack waren wieder Kilometer geschafft. Grüße an dieser Stelle.

Runde 15 geschafft, die Beine sind schwer. Aber diese drei Runden schaffe ich auch noch. Umso erstaunter war ich, als ich nach ‚meiner‘ 15. Runde erst die 15. anfing. Oh man, ich hatte mich irgendwo gedanklich vertan und da es bei diesem Lauf nicht um Zeit und Schnelligkeit ging, schaute ich auch nicht ständig auf die Uhr. Ich korrigiere: Diese vier Runden schaffe ich auch noch... :)
Ich weiß nicht, wie oft wir als Kinder diese Berge runter rodelten. Aber ich hatte auf jeden Fall das Gefühl, dass ich diese jenen heute doppelt so oft rauf lief.

So werde ich gleich aussehen... :)
Die Oberschenkel zwiebeln beim hochlaufen unangenehm und ich freute mich schon auf den Muskelkater. Genau, wie nach dem Treppenlauf. Mit Beginn der 17. Runde dachte ich mir, dass alles, was ich jetzt hinter mir lasse, nur noch einmal kommt. So lief ich die letzten zwei Runden weiterhin entspannt und mit Vorfreude dem Ziel entgegen. Noch einmal wenden und dann... Geschafft! Das war mein vierter Marathon in diesem Jahr. Die Zielzeit wurde mit 06:08:54 angegeben, womit ich den 9. Platz von 15 Läuferinnen und Läufern belegte.

Ohne Worte
Am Abend wurde mir erst richtig bewusst, wie lange ich unterwegs war. Ich bin noch nie so lange und vor allem so ‚hoch‘ gelaufen. Über sechs Stunden Brutto. Ist doch verrückt. Als ich so ziemlich zur Hälfte mit Martin (Berlin Chemie) sprach, sagte er "Kopf ausschalten, nicht nachdenken." So war es dann auch, einfach laufen, aber ich habe das Gefühl, dass mein Kopf immer eine Weile braucht, bis er das umsetzt, denn dann läuft es.

Alles in allem war es eine Top Veranstaltung, klein, aber sehr fein, bei bestem Wetter. Viele neue Leute kennengelernt, bekannte Gesichter wiedergesehen, alles sehr familiär. Vielen Dank Sigrid Eichner und Hans-Joachim Meyer für die Organisation und Ausrichtung. Für eine Startgebühr von nur 8 Euro gab es Tee, Cola, Wasser und Snacks, eine Medaille und manuelle Zeitnahme.
Für den 28. Dezember und 3. Januar 2016 habe ich mich bereits für den ‚kleinen Bruder‘ über 600 Hm angemeldet. Ich freue mich drauf.

Da isse...
In diesem Sinne, bleibt gesund, habt ein schönes Fest und einen fantastischen Start ins neue Jahr.

Euer René


Update: Der Muskelkater war nicht ganz so schlimm, wie nach dem Treppenlauf, jedoch hätte mein Laufstil locker dafür gereicht, in einer vollen Bahn einen Platz angeboten zu bekommen.

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