Training, Bauchschmerzen, Glücksgefühle oder wie ich den 42. Berlin-Marathon erlebte

12:45

42 Aktivitäten, 588 gelaufene Kilometer, 58:41:09 Stunden unterwegs, 38.105 verbrannte Kalorien, drei Wettkämpfe und drei Bestzeiten gelaufen. Das sind die Zahlen von zehn Wochen Training und alles nur für dieses eine Ziel: Den 42. BMW BERLIN-MARATHON erfolgreich zu beenden.
Das war meine Vorbereitung und der Marathon am 27. September 2015. Ich genoss den Wettkampf und hatte Spaß. Warum, wieso, weshalb? Einfach weiterlesen. Zwischendurch beantwortete ich auch immer wieder mal ein paar Fragen. Das Interview habe mit eingebaut. ;)


Nach Abholung der Startnummer am Donnerstag vor dem Marathon, stand ein Messerundgang an. Immer wieder kann man nur empfehlen, ganz entspannt zu bleiben, denn die Verlockungen, hier und da mal ein paar Euro auszugeben, sind sehr groß und warten an jeder Ecke oder besser, an fast jedem Stand. ;)



Der Wecker klingelte am Sonntag um 5 Uhr. Kleine Augen, den Weg zur Kaffeemaschine ertastet. Langsam strömen die ersten Marathon Gedanken in den Kopf. Speziell beim anziehen der Laufsachen wurde mir bewusst, dass es jetzt nur noch wenige Stunden bis zum Start sind. Über zehn Monate sind seit der Email mit dem Losglück vergangen und jetzt ist es gleich soweit.

Mit der Bahn zum Brandenburger Tor und dort setzte mein Bauchkribbeln dann endgültig ein.


Nach der Zugangskontrolle führte mich der erste Weg direkt zum Klo. Die Temperatur betrug ca. sechs Grad. "Einlagig oder zweilagig starten?" war die Frage, die ich mir immer wieder stellte. Die ersten wärmenden Strahlen der aufgehenden Sonne deuteten auf einlagig hin. So war es am Ende auch.


Reporter (R): "Bis zum Start sind es noch 60 Minuten, wie fühlst du dich?"
Genussläufer (G): "Sehr aufgeregt, aber doch viel entspannter, als vor dem Hamburger Marathon im April."
R: "Wir haben dich vorhin gesehen, wie du sehr nachdenklich vom Brandenburger Tor zum Ziel gesehen hast. Was ging dir da durch den Kopf?"
G: (lächelt) "Da will ich nachher durch."
R: "Du hast auf 3:45 Stunden trainiert, aber redest immer von 3:59 wären super. Warum?
G: Ich fing tatsächlich erst mit einem 3:59er Plan an zu trainieren. Das war meine Wunschzeit. Vielleicht weil ich diese in Hamburg nicht geschafft habe? Nach ein oder zwei Wochen wechselte ich dann in den 3:45er Plan, um mehr an meinem Tempo zu arbeiten. Nach all den Trainings und vielen Kilometern war ich mir aber am Ende nicht mehr sicher, ob ich die sub vier überhaupt erreichen werde, da meine Beine schwer waren. Ich muss los, Chris und Chrissi warten."

9 Uhr im Startblock E. Der Countdown wird runtergezählt und der Startschuss vom Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, ausgelöst und die gelben Ballons fliegen in den blauen Berliner Himmel. Ein schöner Moment.



Wo ist all die Aufregung und Anspannung geblieben? Das ist eine berechtigte Frage, wenn man dieses Foto sieht...

Schließlich war es soweit. Nur fünf Minuten nach dem Start überquerten wir die Startlinie, vorbei am Regierenden Bürgermeister und Lauflegende Uta Pippig, die 1990, 1992 und 1995 in Berlin gewann.




Am Mittwoch vor dem Marathon dachte ich für einen kurzen Moment, dass ich nicht an den Start gehen kann, und zwar, als ich mit vollen Händen eine Treppe herunter stürzte und mich dabei an beiden Knien verletzte und den Rücken verknackste. Zum Glück bin ich aber heute dabei und nun auf der Strecke und unterwegs Richtung Siegessäule. Viel Erfolg und einen schönen Lauf gewünscht.

Der erste Kilometer war mit 5:38 Minuten erwartungsgemäß etwas langsamer, aber ab dem zweiten läuft es nach Plan. Mein Ziel heute: Gleichmäßiges Tempo und nicht aus der Ruhe bringen lassen. Das ist mir auf den ersten fünf Kilometern gut gelungen. Die 3:59 Stunden sind drin und an dieses Ziel habe ich mich fest gebissen. Immer das Ziel vor den Augen. Aber bis zum Ziel sind es noch viele Kilometer. 

Der Zwischenstand von Kilometer 0 bis 5: 00:27:39 h:m:s, Pace 5:32 min/km 

Mittlerweile befinden wir uns auf dem 7. Kilometer und siehe da, der Reporter ist wieder da. 

R: Wie geht es dir? 
G: Im Moment noch sehr gut, kein Gedränge, Stimmung super, passt. 
R: Was waren bis jetzt für dich die schönsten Eindrücke an der Strecke? 
G: Ganz klar der Start. Das ist immer wieder ein Erlebnis, wenn die Uhr piept und unter Jubel losgelaufen wird. Aber auch an der Schweizer Botschaft eben war es super. Wie auf einer Alm.
R: Wir melden uns später nochmal. Danke. 

Die Stimmung ist wirklich unglaublich. Eventuell werde ich das noch das eine oder andere Mal erwähnen. Was die Leute bis jetzt an der Strecke leisten, ist einfach mehrere Erwähnungen wert. Was zum Beispiel beim Friedrichstadtpalast in der Friedrichstraße los war, war der Wahnsinn. Gleich geht's in die Torstraße rein und die Zeiten sind immer noch fantastisch, voll auf Kurs. 

Der Zwischenstand von Kilometer 5 bis 10: 00:55:16 h:m:s, Pace 5:32 min/km 

Am Strausberger Platz stehen gefühlt mehrere 1000 Menschen in ausgelassener Laune, die jede Läuferin, jeden Läufer anfeuern. Man wird praktisch getragen. Und auch das wird im weiteren Verlauf der Strecke noch mehrmals vorkommen. Das man in diesen Menschenmengen trotzdem noch jemand erkennt, den man kennt, ist schon Glück / Zufall oder was auch immer. Liebe Grüße an dieser Stelle an Manu, unter Läufern als Laufwelt bekannt. Richtig, die Manu, mit der ich in Oranienburg lief. 

Der Zwischenstand von Kilometer 10 bis 15: 01:23:12 h:m:s, Pace 5:36 min/km 

Unter der Brücke am U-Bahnhof Kottbusser Tor spielte türkische Musik, passend zur Gegend. Herrlich. 


Die Sonne scheint und die Temperaturen sind angenehm. Was für ein wunderschöner Tag zum Laufen. Bei leichtem Gefälle oder Anstieg konnte man immer wunderbar sehen, welche Menschenmassen sich auf den Straßen bewegten. Und der größte Teil startete hinter uns. Wie muss es da erst wippen... :) 


Zwischen Kilometer 16 und 17 überholten uns die Starter mit einer Pace unter vier Minuten. So schnell, wie sie ankamen, so schnell waren sie auch wieder weg. Ich fragte Chris, "Was war denn das eben?" Zzzzziiischhhhhh :)

Die 20 Kilometer gleich geschafft und so sah der Schnitt der letzten fünf Kilometer aus: 

Der Zwischenstand von Kilometer 15 bis 20: 01:51:11 h:m:s, Pace 5:36 min/km 

Ich wusste nicht, warum ich mich auf die Brücken in der Yorckstraße so freute. Auf jeden Fall war Gänsehautstimmung garantiert. Die Zuschauer gaben alles, genauso, wie die Trommler. Das waren Klänge, wow. Paul kämpfte sich hier auch durch. Ihr wisst schon, der Paul aus dem Film 'Sein letztes Rennen'. 

Halbmarathon Distanz voraus, die Hälfte geschafft und ich fühlte mich noch sehr gut. 

Halbmarathon in 01:57:17 (Pace 5:34) geschafft
Schöneberg, Innsbrucker Platz und Friedenau liegen nun auch hinter mir und damit Kilometer 25. Stark. 

Der Zwischenstand von Kilometer 20 bis 25: 02:19:34 h:m:s, Pace 5:43 min/km 


Die Kilometer 25 bis 27 lief ich so dahin. Ab und zu habe ich auf der Strecke ein paar Haribo verdrückt, immer wieder getrunken, drei Bananenstücken gegessen und ein Gel nach dreißig Kilometern reingedrückt. Das Gel gab es an der Powerbarstrecke bei Kilometer 27,5. Genau dort habe ich Chris und Chrissi verloren. Shit. Sie müssen wohl irgendwie im Gedränge an mir vorbeigezogen sein. Also Tempo rein und suchen. Da wurde mir erstmal bewusst, wie viele Leute in Neonfarbenden Shirts unterwegs waren. Aber keine Flitzpiepen. Der Vorteil war, dass ich nun ziemlich schnell bei Kilometer 30 war und ich nun auf den letzten fünf Kilometern 7 Sekunden schneller unterwegs war, als von KM 20 bis 25. 

Der Zwischenstand von Kilometer 25 bis 30: 02:47:33 h:m:s, Pace 5:36 min/km 

Foto ist irgendwo innerhalb der ersten 20 Kilometern, dachte aber, wird mal wieder Zeit für ein Bild. :)
Nur noch zwölf Kilometer bis zum Finish. Auf geht's. Die beiden werde ich nicht mehr einholen, also muss ich versuchen, mein Tempo zu halten. Allerdings merke ich jetzt, wie schwer meine Beine wurden. Schwer, schwerer, sehr schwererer. Noch zehn Kilometer. Wenn ich die jetzt in einer Stunde schaffe, dann packe ich die 3:59. Allerdings deutet die Pace im Moment auf eine Zeit jenseits der vier Stunden hin. Trotzdem ich wusste, das die Zeit rennt, blieb ich irgendwie gelassen. Und das war auch gut so, denn mit dem einbiegen von der Konstanzer Straße auf den Ku'damm wurde von Frau Fischer 'Atemlos' gespielt. Auch das brachte mich nicht aus der Ruhe. Kilometer 35 zwischen Gedächtniskirche und Eurocenter. 

Der Zwischenstand von Kilometer 30 bis 35: 03:16:35 h:m:s, Pace 5:49 min/km  

Noch sieben Kilometer. 'Während des Laufens nicht mit dem Laufen beschäftigen.', hatte ich vor kurzem gelesen. Irgendwo. Nun, man muss sich nicht an alles halten. Die Rechnerei lenkte mich ab, doch sie bringt irgendwie nichts, außer, dass sie mich aus dem Rhythmus bringt. Also doch daran halten? Wittenbergplatz, Nollendorfplatz, Bülowstraße und ab nach Links auf die Potsdamer Straße Richtung Potsdamer Platz. ES IST NICHT MEHR WEIT! 


Richtung Potsdamer Platz wurde es wieder voll. Menschenmassen, Jubel, Musik, Emotionen, Gänsehaut. Das obige Schild gibt den Rest Motivation. 

'Wer stehen bleibt, hat schon verloren.' War eine der erhaltenen Nachrichten. 
Auf den letzten drei Kilometern noch mal ein bisschen anziehen? Geht nicht. Mich erreichen immer wieder Anfeuerungen meiner Liebsten. Was für schöne. Einige ließen mich emotional werden. Vielen Dank dafür. Alle kann ich gar nicht mehr lesen, denn jetzt möchte ich nochmals angreifen. Wie ist der aktuelle Stand? 

Der Zwischenstand von Kilometer 35 bis 40: 03:46:46 h:m:s, Pace 6:03 min/km 

Noch zwei Kilometer. Nicht noch langsamer werden. Hau rein. Ich erhielt einen weiteren Motivationsschub. Meine Familie wartete bereits am Zielbereich. Also, auf geht's zur letzten Runde. Ich bin am für mich schönsten Platz in Berlin, dem Gendarmenmarkt. 


Französische Straße, den letzten Kilometer (41) habe in 5:48 Minuten geschafft. Da geht noch was. Die letzten Meter sind doch eigentlich meine Stärke. Nochmals alles rausholen, die Sub 4 sind drin. Ziiieeehhh. Von der Französischen Straße in die Glinkastraße rein. Es wird eng, muss Slalom laufen, aber voll in Fahrt. Wie das läuft, ich bin schnell. Unter den Linden erreicht. Jetzt Ideallinie laufen, wie die Profis. Keine Zeit verlieren und doch genießen, wie ich durchs Brandenburger Tor laufe. Genial... Geht das? Klar. 


Das Brandenburger Tor und damit gleich das Ziel vor den Augen, was für ein schönes Gefühl. Kilometer 42 in 5:03 Minuten geschafft. Auf den letzten Meter nehme ich Tempo raus. Geht auch zwangsläufig gar nicht anders, bei so vielen eintreffenden Läufern. 


Ich habe es geschafft. Den BMW Berlin Marathon habe ich in neuer persönlicher Bestzeit gefinisht. 

03:58:46 Stunden 

Fast zehn Minuten schneller, als den Hamburger. Yeah. 


So sah es auf der Wiese vor dem Reichstag aus. Nur strahlende Gesichter um mich herum. Irre. 
Ich merkte, dass ich unbedingt was trinken muss. Schließlich fand ich die Goldquelle, angesetzt und Ahhhhhhhh. Tut das gut. 


Das war es. Das war mein zweiter Marathon. Ab zur Familie und weiter die Sonne und den Erfolg genießen. Danke, dass ihr da wart. 



Als ich nach Hause kam, traute ich meinen Augen kaum... 


Eine Wimpelkette gespannt, auf der F I N I S H E R stand. Die Kinder empfingen mich mit Tärä und Luftschlangen. Das fand ich total stark. Das war aber noch nicht alles. Es wartete eines meiner Lieblingsessen (Schnitzel, Kartoffeln, Mischgemüse) und dazu ein kühles und erfrischendes Erdinger im entsprechendem Marathonglas und ein Fußmassagebad. ICH war der König. :) 1000 Dank für diesen Empfang. 



Was für ein Fazit bleibt? Dieser Marathon war der Wahnsinn. Tolle Stimmung, bestes Laufwetter, welches sicher dazu beitrug und es besteht durchaus 'Wiederholungsgefahr'. Danke dem SCC Events Team und allen Helferinnen und Helfern. 

Gerne möchte ich mich noch bei einigen lieben Menschen bedanken: 

Danke meiner liebsten Frau und den kleinen Mäusen, die wieder einmal vollstes Verständnis aufbrachten. 
Danke liebe Familie, dass ihr mich angefeuert, unterstützt und an mich geglaubt habt. MaPa, Doro, Bartibär :o :), der großen Maus und meinem Bruder, der schon lange zu Hause war, als ich noch unterwegs auf der Strecke war. 

Ihr zwei Flitzpiepen Chris und Chrissi: Ich fand es total stark, dass wir zusammen starteten und uns gegenseitig an unser Tempo erinnerten, wenn wir zu schnell waren oder aber uns gegenseitig zogen. Danke euch zwei, es war mir ein Vergnügen. 

Liebe Kollegen_innen: Auch euch danke ich für die Untersützung und dafür, dass ihr mein ständiges gequatsche übers Laufen ertragen habt. Das zählt übrigens für alle hier Erwähnten und nicht Erwähnten. :) 

In diesem Sinne, danke fürs lesen, bleibt gesund und glaubt an euch. Alles ist möglich! 

Liebe Grüße vom Genussläufer René 


Muss jetzt noch zum Interview... ;)


R: Zunächst einmal Herzlichen Glückwunsch zum Finish und zur neuen persönlichen Bestzeit, die du um fast zehn Minuten verbessert hast. Wie geht es dir nun einige Stunden nach dem Marathon? 
G: Bin noch immer total happy. Der Lauf war super, Wetter, Atmosphäre, einfach alles hat gepasst. 
R: Was war für dich der größte Unterschied zu Hamburg? 
G: Das waren mehrere Faktoren, unter anderem das Wetter und die flache Strecke in Berlin. Ich plante diesen Lauf ganz anders und ich wusste nun auch schon, was mich jenseits der 32 Kilometer erwartete. Das wusste ich in Hamburg noch nicht. 
R: Wie sehen nun die nächsten Planungen aus, wann sehen wir dich wieder? 
G: Es folgt eine Woche Laufpause, vielleicht auch zehn Tage und dann geht es zu einem entspannten Sightseeing Marathon in Dresden weiter. Also ohne Bestzeiten und so. 
R: Vielen Dank für deine Zeit, alles Gute und bis demnächst. Danke für deine Zeit. 
G: Gerne, bis bald. Tschüss. 

Das Interview wurde vom Reporter der Zeitschrift 'Was so in meinem Kopf rumschwirrt, wenn ich laufe' geführt. Kennt ihr nicht? Einfach mal suchen. 

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3 Kommentare

  1. Toller Bericht und das allerbeste ist wohl der hammermässige Empfang zu Hause! Super :-))

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  2. Super gemacht!
    Korrektur muss aber sein, nicht wir sind beim Powerbar abgezischt sondern du!
    Ich hab leider meinen Knöchel immer stärker gespürt und wollte das Tempio drosseln, darum hab ich euch ziehen lassen. Mir war wichtig das ich ankomme und die 2 Minuten waren mir da wurst ;)
    Starke leistung! Den nächsten rocken wir gemeinsam auf 3:45 h !

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  3. Herzlichen Glückwunsch zur neuen Bestzeit!!! Ein toller und motivierender Bericht! Besonders toll fand ich ja, was sich Deine Familie für Dich ausgedacht hat :-)

    Und viele Grüße auch für die Erwähnung! Cool, dass wir uns bei diesen Menschenmassen gesehen hatten!

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