Stovka Podkrkonoším - T118

20:00

Stovka Podkrkonoším. Wer ist das? Nicht wer, sondern was! Ein Ultra Trail, der es in sich hat. Der Lauf startet und endet im tschechischen Dvur Kralove nad Labem. Im Ultra Bereich kann man 118 und 60 Kilometer laufen. Aber auch 30 Km und einen Halbmarathon. Ich meldete mich für die 118 km an und zahlte dafür 32 Euro + 10 Euro für ein Shirt. Acht Verpflegungspunkte gab es auf der Strecke und man konnte auch, wenn man denn wollte, ein Bierchen oder Schnäpperkin trinken. Macht bei kühlen Temperaturen in der Nacht vielleicht Sinn. Habe ich noch etwas vergessen? Ach ja, viertausend Höhenmeter.

Im Vorfeld war irgendwie alles anders, Informationen zum (Ab)Lauf kamen nur spärlich. Wenn man das vorher weiß, kann man sich darauf einstellen, aber als Ersttäter bei dieser Veranstaltung platzte ich vor Aufregung und wollte alles im voraus wissen. Vielleicht auch, weil ich es von heimischen Läufen fast nur so kenne. Ausschreibungen bis ins kleinste Detail. Rückblickend würde ich jedoch sagen, dass das Zeitfenster eigentlich in Ordnung war. Meine Ungeduld auf neue Infos überbrückte Volker. Volker lief den T118 schon und war sehr hilfsbereit und ausführlich in seinen Antworten. Auf ihn kam ich via seinem Blog und kontaktierte ihn via Facebook. Nochmals ein großes Dankeschön an dich. Das war wieder eine neue Episode aus der Serie, Läufer_innen helfen Läufer_innen. Toll.

Die Anreise erfolgte schon einen Tag vorher mit dem Auto, durch Polen nach Tschechien. 430 km in 5,5 Stunden waren immer noch besser als (je nach Verbindung) acht bis zwölf Stunden mit dem Zug und Bus zu fahren.

Die Stadt Dvur Kralove nad Labem selbst ist überschaubar, der Start erfolgt im Zentrum, nur wenige Meter Luftlinie vom Fenster meines gebuchten Hotels. Es regnete, es regnete viel und teilweise streng.
Einige der wenigen Moment, an denen es nicht regnete. 
Nach einem 600 Meter langen Fußweg (natürlich im Regen) zum Stadion, holte ich um 20:45 Uhr meinen Transponder ab. Eine Stunde warten, Dropbag abgeben, Leute beobachten, bis wir dann endlich gesammelt zum Marktplatz gingen und um 22 Uhr in die Nacht geschickt wurden. Kurz nach dem Start waren einige so schnell weg, dass ich dachte, das sie gleich zurück sein werden.

Der Weg führte knapp drei Kilometer entlang der Elbe, bis es dann schließlich landschaftlich wurde. Die ersten Kilometer ließ ich ruhig angehen und die weiteren noch ruhiger. Es ging steil hoch und wieder runter, um nach der nächsten Abbiegung wieder hoch zu laufen. Ich dachte mehrmals, hier kann ich nicht richtig sein, aber Lichtkegel vor und hinter mir zeigten mir das Gegenteil.

Felsbrocken auf dem Weg, außen herum oder durchquetschen? Außen entlang. Viel Platz bis zum Abgrund war da nicht. Abgrund hört sich sehr dramatisch an, bis 'zum Gefälle' schwächt es etwas ab. Trotzdem möchte da niemand runter rutschen oder (ab)stürzen. Im dunkeln sieht alles anders aus. Viel dramatischer. Das kenne ich noch von den 100 Meilen Berlin. Da sieht man in der Nacht Dinge, die nicht da sind. Man muss allerdings sehr konzentriert laufen und das kostet Energie und macht müde.

Der Boden war schwer und matschig und trotz aller Vorsicht stolperte ich das eine oder andere Mal. Pro Schuh klebten bestimmt nochmals ein Kilogramm Motter unter der Sohle. Nach ca. zehn Kilometer rutschte ich so blöd weg, das ein stechender Schmerz bis ins linke Knie hoch schoss. Kurz verschnauft, geflucht, nochmals geflucht und weiter ging es. 

Skifahrer wissen um das Gefälle einer schwarzen Piste. Was für ein Wortspiel für eine Nacht, in der man ohne Licht nichts sah. Genau solche ging es über hundert bis zweihundert Meter hoch und wieder runter. Schneisen, wo Strommasten lang führten, runter und wieder hoch. Durch die Wetterlage lief ich durch Wolken, was die Atmung noch erschwerte. Nach dem bis hier geschriebenen könnten man meinen, ich hätte es schon fast ins Ziel geschafft. Aber tatsächlich hatte ich noch nicht einmal den ersten Verpflegungspunkt (VP) erreicht. Seit dem wegrutschen lief ich in Schonhaltung, um ein zwicken am Knöchel und im Knie zu vermeiden. Am letzten Anstieg mit knapp zweihundert Höhenmeter vor dem ersten VP stand für mich fest, den Lauf zu beenden. Weitere 100 Kilometer mit noch 3000 Höhenmeter hätte ich aller Voraussicht nach nicht geschafft. Weder mit noch ohne Verletzung. Es sei denn, es wäre ein Wunder passiert.
Die nächste Herausforderung bestand darin, wie ich zurück kommen soll. Volker sagte mir vorab, das es nicht leicht sein wird, von welchem Punkt auch immer, weg zu kommen. Der Renndirektor Iske Rauta betreute den VP und ich bat ihn, ein Taxi zu organisieren. Als mein Entschluss, aufzuhören, feststand, hatte ich schon meine Zweifel, das irgendein Fahrer sein warmes Bett mitten in der Nacht für einen schwitzenden Menschen verlassen würde. Ich hatte das Glück, das er und seine Crew mich zum Stadion zurückfuhren. Dafür bin ich ihm noch immer sehr dankbar.

Es sind Gefühlswelten, die da aufeinander prell(t)en. Auf der einen Seite siegte die Vernunft und ich hielt mein Versprechen, welches ich meiner Frau vor vielen Jahren gab, immer aufzuhören, wenn es nicht mehr geht. Gesundheit geht vor. Auf der anderen Seite war ich natürlich auch enttäuscht darüber, den Lauf vorzeitig zu beenden. Vor allem, als ich die Bilder vom Rest der Strecke sah. Aber was nicht geht, geht nicht. Ich hatte nicht einmal Muskelkater in den Folgetagen. Da kann ich in der Vorbereitung nicht so viel falsch gemacht haben.

Am Samstag Vormittag brachte mir der Renndirektor noch meinen Dropbag und ich trat die Heimreise an.

Das ziehen im Knie verschwand im Laufe der nächsten Tage und ich konnte schon wieder kurze Läufe mit unserem Hund machen. Wie schön.
Am Freitag fragte mich der Renndirektor per Chat, wie es mir geht? Eigentlich hätte die Situation 'Aus den Augen, aus dem Sinn' sein können, aber nein, er fragte nach. Nicht nur das, er schickte mir einen Voucher für einen Freistart im nächsten Jahr. Wie krass ist das? Ich bin wirklich dankbar, das es Menschen wie ihn gibt. Nicht nur wegen des Freistarts, auch für das ganze drumherum, meinen Transfer und die kilometerweite Extrafahrt mit meinem Dropbag als Passagier. Einfach toll. Nochmals ein dickes Dankeschön nach Tschechien.

Mittlerweile zwickt es nur noch hin und wieder im Oberschenkel, aber auch das wird vergehen.

Zumindest für meinen gelaufenen Teil gebe ich eine Empfehlung gerne weiter. Die Stimmung war gut und die Strecke gefiel mir auch. Einzig das Wetter machte und vielen anderen sehr zu schaffen. Gut trainiert sollte man bei einer Teilnahme sein, gerade was Höhenmeter betrifft.

Die Ergebnisse der ersten drei Männer über 118 Km: 
1. Tomáš Hak 16:31 Stunden
2. Ondřej Freitag 16:50 Stunden
3. Mailand Rakyta 16:53 Stunden

Die Ergebnisse der ersten drei Frauen über 118 Km: 
1. Ivana Bohonkova 22:20 Stunden 
2. Andy Nováková 22:55 Stunden 
3. Tereza Schimerova 23:26 Stunden 

Herzlichen Glückwunsch! 

In diesem Sinne, danke fürs Lesen

René


Es folgen alle Bilder unsortiert! 


















Vielleicht magst du auch

0 Kommentare

Vielen Dank für den Kommentar. Dieser wird schnellstmöglich freigeschaltet.